Mittwoch, 30. Dezember 2015

Sandmann

Der Sandmann, ein Typus von Herrschaftswollen, mir gegenwärtig durch das ihm entschlüpfte Eingeständnis, er wolle seinen Abdruck in der Wirklichkeit hinterlassen.
Er hat eine Gestalt. Aber Du wirst sie vergessen , sobald sie in Dein Gesichtsfeld getreten ist. Wer es war, wirst Du wissen. Wie er aussieht, hast Du bereits wieder vergessen.
Was für ein Gesicht hat ein Vollstrecker?

Seinen Abdruck in einem Menschenprojekt hinterlassen kann er nur, wo ein Mächtiger es sich auf ihm und über ihn sich bequem macht. Zu diesem Zweck muss der ihn los schicken, Hindernisse von Recht und Übereinkunft zu brechen. Dazu muss jener ihm Teile seiner Macht zuteilen. Dann geht gut, was nicht ginge, "wenn das der Führer wüsste". Aber natürlich weiß der jeweilige "Führer" genau das.

Was ist also dieser Abdruck des unsichtbaren Vollstreckers?

Es ist das,was aus dem Überfall aus dem Nebel resultiert, hinter dem Auftraggeber und Vollstrecker unsichtbar werden.

Was ist richtiger? Auf die Wunden der Republik und ihrer Verteidiger sehen, auf das Opfer, auf die Tat oder auf den Täter?
In dieser Betrachtung geht es um die Betrachtung des Phänomens, nicht um die moralische Würdigung.

So wirkt und würgt der Sandmann aus dem Nebel, für profitablen Schaden, ohne den er keine Freude fühlt.

Ich nenne ihn Sandmann, weil er seinen unverwechselbaren Abdruck in den Sand der Zeit presst, in den Wind der Meinungswechsel. Und auch er vergisst den Ursprung der Gleichheit, über deren Gerichtstag er sich erheben will. Ewigkeit. Sie wird ihn neben Kaiser, Wurm und einem Rest Borschtsch

In Gleichheit werden wir geboren, in Gleichheit  werden wir sterben. Und dem "na-und" des Sandmanns antwortet die Stille im Vergessenwerden.

Was kannst Du gegen den Sandmann unternehmen? Achte auf ihn, aber bekümmere Dich nicht um ihn, sondern um den gefährlichen, weil mächtigeren Menschen, an dessen Macht er parasitiert.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Die Väter kommen

Eisenberg

Zerstört schon in den 70ern, aufgebaut, verrottet, aufgebaut, ausgewohnt, mühsam aufrecht erhaltene Insolvenz. Eigentlich so recht geeignet für die Zuwanderung vertriebener Flüchtlinge.

Zu Tausenden kommen sie herein, unsere Väter und Großväter, mit den Körpern unserer Kinder und Hoffnungen schimmelnd in den eingeweichten Papieren narzisstischer Ideologen des 19.Jahrhunderts. Seelen mit riesigen offenen Wunden und schweren Panzern um nachtschwarze Ängste.

Sie begegnen uns, ihren Kindern in den Körpern ihrer Eltern, die oft schon gestorben sind. Aber mit Gedanken von flatterhafter Freiheit, angstmachendem Chaos, haltloser Sehnsucht. Irgendwie irre.

Wie rede ich mit meinem Vater, der das Leben enger will, mit meiner Mutter, die mir die Straße nach oben einredet? Wie sollen sie mit mir reden, dem Ungehorsamen, dem, der Fremden traut und das Alte ironisch kommentiert? Sag es mir Bruder, Schwester vom Alter meiner Kinder.

Was sollen Deine Eltern in Berlin, der Stadt des stolz geschwellten Ego?
Aber hier im Fokus des Misstrauens ist es nicht weniger schwer.

Kann ich jetzt die Väter verstehen? Die enge Erziehung, den krampfhaften Halt an die Ideologie von Herrschaft und Unterwerfung, die anderen Ängste, den Haß?

Auch wir mußten unser Leben neu erarbeiten. Vieles half. Aber auch das eigene Wollen.

Ihr Väter und Mütter, seht wohin Eure Kinder gehen werden. Lasst es zu: nur solche Kinder werden Euch nach Eurer Flucht empfangen. Mit Bedenken. Mit dem Vertrauen in Wert und Würde des Menschen.

Auch unsere Väter und Mütter sind schließlich nicht alle nach Berlin gezogen. Auch Eisenberg ist eine Möglichkeit. Für die Erprobung des Vertrauens oder die unheimliche Rückkehr in die Urgemütlichkeit. Schreckliche Einsamkeit im Herrschaftsgebiet von Familie und Verein.

Du kennst das. So bleibe nicht, sondern werde, was Du - auch -  bist. Das wünsche ich Dir und mir.

Sonntag, 6. Dezember 2015

Kot und Blüte, ganzheitlich betrachtet

Jedem geht ein, dass im vorliegenden Fall das Projekt der ganzheitlichen Betrachtung scheitert.

Ein Hund hat sich am Straßenrand entleert  (der Besitzer kann sich vor Bewunderung nicht lassen ) und der Novemberwind hat eine letzte zarte weiße Blüte hinzu geweht. Nur sehr wenige der geehrten Damen und Herren werden das Bedürfnis nach ganzheitlicher Erfahrung verspüren und zu riechen versuchen.

Das menschliche Gehirn kann wohl so wenig einen ganzheitlichen Geschmack entwickeln wie eine ganzheitliche Sichtweise, etwa von Rechts und Links. - Wenn auch bei manchem politischen Handeln von ganz Rechts und ganz Links die Menschlichkeit plötzlich in Nichts zusammen fallen kann. - Im geschilderten, nicht seltenen Fall, wird das Bild wohl nur von einer Seite aus gewertet.

Wer möchte zu Hesses Poesie ihn nackt an der Felswand sitzen sehen, wer glaubt beim Anblick des Kriegsgefangene  mordenden japanischen Wächters in Burma sein Haiku? Die Welt, das Leben sind wohl weder das eine noch das andere allein. Wer kann es riechen?

Ich glaube daher, dass Ganzheitlichkeit eine gewisse Trübung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit voraus setzt oder ganz und gar nicht Kopf- sondern Bauchsache ist, wie dieser treue Freund des Menschen unbeabsichtigt bewies.

Nietzsche zum heiligen Pelznickel

Natürlich : Nachdem die Region der Philosophie von Schopenhauer kartographisch erfasst war, musste irgendeine Narzisse doch mal die Sau rauslassen und sich zum mehr als Mensch stilisieren.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Scham


Ich höre einen sehr eingängigen Vortrag eines Psychologen über das zu wenig beachtete Phänomen von Scham und Schamlosigkeit.

Dieses Phänomen der Bindung, der Abhängigkeit von der Akzeptanz eines Anderen, wirke doch stärker als das Selbstbewusstsein sich zugestehe.

Ich habe unter engen Schamvorstellungen von Eltern gelitten (Ein Junge weint nicht, Wir müssen die Schmach der Armut überwinden, sich über die dummen Bauern erheben,  aber nicht unangenehm auffallen, nicht auffällig werden.)
Die 68er haben sich unverschämt aus den Schamvorstellungen der Alten gelöst. Und neue Erwartungen in die Welt gesetzt (Männer sollten auch weinen,  nicht nach Besitz streben, immer locker bleiben, punken und rocken, provozieren, Ich produzieren, sich nicht schämen).

Stimmt! Auch das kann bei Mißachtung schmerzhafte Scham erzeugen.
Zur Zeit befinde ich mich in einer harten Auseinandersetzung um das Rechthaben. Durch diesen Vortrag fällt mir auf, dass sowohl bei meinem Gegenüber als auch bei mir Verletzungen der Scham besorgt werden, was die Härte in die Sache bringt.

Wie es wohl aussieht, wenn das Gegenüber Recht bekommt! Ich unterstelle meinem Gegenüber, er beziehe die Rechtfertigung seines Handelns aus den Erwartungen seiner Freunde. Meine Unfreundlichkeit besteht darin, er ziehe die Erwartungen seiner Freunde denen des Rechts (also dem "wertvolleren", wichtigeren Beobachter Bürger) vor. Er dürfte bei mir von Wichtigtuerei bis zu politischer Feindschaft (Orientierung an Erwartungen anderer, unzulässiger Interessen) ebenfalls ungute, beschämende Absichten vermuten.

Wichtig an der Scham erscheint mir daher weniger, ob ein Grund zur Scham besteht oder nicht, als: wer ist es, dem gegenüber ich mich schäme.

Ich war dabei, eine Betrachtung zu Freundschaft und /oder Grundsatz im politischen oder ethischen Handeln zu schreiben. Es hat eine Wendung genommen: Auch aus dem Grundsatz heraus betrachten Dich erwartungsvolle Augen. Zum Beispiel die von Menschen, Parteien, moralischen Instanzen, ideologischen Weltbildermalern, Bekennern von Gott oder Republik, Gott selbst oder einer entsprechenden virtuellen Instanz, Gründern der Republik selbst.
Auch Dich befällt der Virus Scham immer wieder. In manchen Verhältnissen hat er gute, warnende Wirkung (Vorsicht, halte Dich zurück, komme erst mal zu Kraft). In den meisten wohl musst Du nach Heilung suchen.

Ein bewährtes Mittel ist kritisches Rückfragen danach, von wem die Scham geschickt ist, ob ihr Zweck mit der Scham vor den Erwartungen einer höheren Wichtigkeit vereinbar ist, ob sie Dir gut tut. Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit nach Kant.

Eine Auflösung von schmerzhaften Erfahrungen der Scham geschah zu Anfang Deines Lebens, noch bevor Deine Eltern Dir ihr - hoffentlich erfreut- beobachtendes Auge zuwendeten:

das Leben selbst sagte zu Dir, komm! 

Und nichts und niemand hat das Recht dieses Wort durch Taten, Brüllen oder Heucheln zu zerstören. Berufe Dich darauf bei Dir, wo immer Dir ein anderes Ich etwas Kritisierendes entgegen hält. Im Anfang bleibt das Ja.

Das andere Erlebnis der Relativität der allmächtig scheinenden Scham zeigt sich außer am Anfang am Ende des Lebens: Wo ein Liebes nicht mehr ist, hat die Scham alle Macht verloren. Du darfst weinen und was immer andere
unpassendes, in ihrem Äußern verletzendes zu Dir oder über jenes Geliebte sagen und tun: Vor diesem Wort ist es -  nichts.

1.12.2015

P. S. Politische Scham erwartet der mündige Bürger bei enttäuschtem Vertrauen, nicht in Anschlag bringend, dass beim Profipolitiker über diesem das Vertrauen der Freunde oder der Stolz auf Einzigartigkeit aus den Phantasien von Kindheit, pubertärer Peer-group pp stehen kann. So gibt es dort keine Scham vor dem menschlichen Gewissen aus der angeborenen Barmherzigkeit gegenüber dem Leiden des Ich-noch-einmal, wo der Blick aus dem Auge des Leidens von Erwartungen aus den Wünschen der Dir wichtigeren Instanzen ausgelöscht wird.

Mißtraue dem einfachen!